Fernsehbeitrag im ZDF bei Frontal 21
Am 11.09. hat das ZDF bei uns gedreht und hier ist der Beitrag zu sehen:
https://www.zdf.de/politik/frontal-21/mangelndes-vertrauen-in-klimaschutz-100.html
Hier die Mitschrift zum Nachlesen:
Beitrag: Mangelndes Vertrauen in Klimaschutz –
Wie Bürgerinitiativen mobilisieren
Sendung vom 12. November 2019
von Andreas Halbach
Anmoderation:
Nachhaltigkeit, das Wort ist politisch in fast aller Munde. Aber offenbar finden viele Bürger die politischen Entscheidungsträger nicht nachhaltig genug. Laut einer Studie des Umweltbundes-amtes erwarten sie mehr Konsequenz beim Klima- und Umweltschutz im Bund, aber auch in den Kommunen. Auf die Frage „Tun die Verantwortlichen genug für Umwelt- und Klimaschutz?“ meinten im Jahr 2016 noch 49 Prozent der Studienteilnehmer: Ja, die Städte und Gemeinden tun genug. Nur zwei Jahre später meinten das nur noch 24 Prozent. Und so formiert sich vor Ort manche Bürgerinitiative, die mehr Nachhaltigkeit fordert – in Worten, vor allem aber in Taten. Andreas Halbach mit Beispielen.
Text:
Nienstädt, im Landkreis Schaumburg, in Niedersachsen. Protest auf dem Bauernhof. Die Scheune ist voll, eine Bürgerinitiative informiert. Und das ist der Grund für den Ärger: die geplante Neubaustrecke der B65, eine mehr als fünf Kilometer lange Umgehungsstraße. Von der Politik beschlossen, obwohl wertvolle Acker- und Waldflächen durchschnitten werden – von einer fünf Meter hohen und zehn Meter breiten Trasse.
O-Ton Kristin Kolbe-Schade, „Bürgerinitiative pro alte B65“:
In Zeiten, wo alle großen Parteien über Klimaschutz, Nachhaltigkeit und Mobilitätswende sprechen, kann es doch nicht sein, dass die Kommunalpolitik, hier vor allem die SPD, einen fast 40 Jahre alten Plan durchsetzen will und mindestens 20 Hektar Natur zerstören will.
Ein Interessenskonflikt aus alten Zeiten. Denn die Nienstädter beklagen Lärm und Abgase, forderen die Ortsumgehung.
Gerhard Widdel ist seit 28 Jahren Nienstädts Bürgermeister. Genauso lange kämpft er für die Umgehungsstraße. Weil endlich
die Bundesmittel bereitstehen, will er jetzt auch bauen.
O-Ton Gerhard Widdel, SPD, Bürgermeister Nienstädt:
Wir erwarten uns dort eine höhere Verkehrssicherheit, eine gute Lärmreduzierung und vor allen Dingen eine Sicherheit für unsere Schulkinder und deren Schulkinderwege.
O-Ton Frontal 21:
Die Verkehrssicherheit, sagt die Polizei, ist nicht beeinträchtigt?
O-Ton Gerhard Widdel, SPD, Bürgermeister Nienstädt:
Das mag die Polizei sagen, aber das Empfinden unserer Bürger, und auch dann, wenn man die B65 begeht, merkt man, wie unsicher man wird auf den schmalen Gehwegen.
Dennoch, seit Jahren geht die Verkehrsbelastung in der Ortsdurchfahrt Nienstädt zurück: 2005 waren es noch 17.800 Autos am Tag, 2015 nur noch 13.200. Der Lkw-Verkehr hat sich in dieser Zeit sogar halbiert.
Peter Schwerdtmann betreibt ein Internetportal für die Autoindustrie. Er lebt in der Region, aber selbst der Autolobbyist hält solche Umgehungsstraßen für eine Fehlplanung.
O-Ton Peter Schwerdtmann, Automobil-Lobbyist:
Wir wissen, dass das Auto in Zukunft anders aussehen wird. Es wird elektrisch sein, mit hoher Wahrscheinlichkeit, und damit leise und abgasfrei. Ud es wird über Assistenzsysteme verfügen, die Unfälle unmöglich machen. Also, warum soll ich mir dann noch wegen Lärmbelästigung oder Abgasbelästigung die Mühe machen, eine Umgehungsstraße zu bauen?
Der Bürgerinitiative haben sich neben Naturschützern auch Jäger und Bauern angeschlossen. Sie alle machen sich Sorgen um die Natur. Auch dieses Biotop soll von der neuen Straße durchkreuzt werden.
O-Ton Thorsten Schwöbel, Obmann für Naturschutz, Jägerschaft Schaumburg:
Wenn hier so eine Straße gebaut wird, alle Wanderungs-bewegungen, die auf natürliche Weise aus so einem Biotop heraus in die Landschaft gehen, werden dann massiv durchschnitten und durchtrennt. Diese Wanderbewegungen, dieser genetische Austausch ist dann nicht mehr möglich.
O-Ton Achim Pohl, Vorsitzender im Landkreis Schaumburg, Landvolk Niedersachsen:
Wir haben seit 1980 dreieinhalbtausend Hektar verloren, im Kreis Schaumburg, an landwirtschaftlicher Nutzfläche. Wir können nicht in den Supermarkt gehen und neues Ackerland
kaufen.
Angst vor Umweltzerstörung, was sagt der Bürgermeister?
O-Ton Gerhard Widdel, SPD, Bürgermeister Nienstädt: Grundsätzlich müssen wir uns alle Gedanken machen, wenn es um unseren Planeten geht. Aber das sind Entscheidungen, Überlegungen und Bewertungen auf größerer, breiterer und dann – sag‘ ich erst mal – auf Bundesebene.
O-Ton Frontal 21:
Aber man muss doch hier vor Ort anfangen zu denken?
O-Ton Gerhard Widdel, SPD, Bürgermeister Nienstädt:
Wir denken immer mit, wir sind umweltbewusst.
Solchen Versprechen aber trauen die Bürger immer weniger, wie Umfragen des Bundesumweltministeriums bestätigen:
Tun die Verantwortlichen genug für Umwelt- und Klimaschutz? Städte und Gemeinden hatten bei dieser Frage 2016 noch 49 Prozent Zustimmung der Bürger, 2018 nur noch 24 Prozent. Noch stärker der Vertrauensverlust der Bundesregierung beim Umweltschutz, Zustimmung 2016: 34 Prozent, 2018 nur noch 14 Prozent.
O-Ton Katrin Dziekan, Fachgebietsleiterin Umwelt und Verkehr, Umweltbundesamt:
Das Problembewusstsein hat sich definitiv erhöht, was Umwelt- und Klimafragen angeht. Und die Politik ist vielleicht gar nicht so mutig, wie sie sein könnte. Und was eigentlich durch die Bürger schon befürwortet wird, wird nicht durchgeführt.